Die meisten Menschen haben hohe Ansprüche an ihr Leben. Warum auch nicht? Schließlich fühlt es sich gut an, viel erreicht zu haben. Doch schnell wird aus „hohe Ansprüchen“ „zu hohe Ansprüche“. Dann schlägt der Ehrgeiz in Unzufriedenheit um. Frustration über die eigene Unzulänglichkeit, Neid auf die Erfolge anderer, Stress über die vielen Aufgaben, die man erfüllen muss, um seinen Schnitt zu halten. Aber muss das sein? In dieser Artikelreihe zeige ich dir, wie du hohe Ansprüche so umsetzen kannst, dass sie dein Leben bereichern, statt es zu belasten.
Ansprüche an andere vs. Ansprüche an sich selbst
Hohe Ansprüche können sich in verschiedenen Richtungen manifestieren. Mir geht es vor allem um die Ansprüche an sich selbst. Denn diese sind es, die den größten Stress verursachen. Die Unzufriedenheit darüber, dass der andere nicht springt, wenn man pfeift, gleicht der eines schmollenden Kindes, das seinen Lolli nicht bekommt. „Ich will aber!“ ist frustrierend (für sich selbst und für andere), doch es ist eine oberflächliche Unzufriedenheit.
Der Stress entsteht, wenn wir der Meinung sind, wir hätten in der Lage sein müssen, etwas zu bekommen, was wir nicht bekommen haben. Wenn ich meine Eltern nicht dazu bringen kann, mir den Lolli zu kaufen – bin ich dann vielleicht nicht liebenswert genug? Wenn ich nicht so schnell Erfolge sehe, wie ich es mir gewünscht hätte – hab ich mich vielleicht nicht genug angestrengt?
Die Angst vor der eigenen Unzulänglichkeit schlägt zu. (Mehr zu Ansprüchen im Außen in diesem lesenswerten Artikel (auch das Video lohnt sich!): https://quality-lifestyle.de/zu-hohe-ansprueche/)
Viele Möglichkeiten = Druck?
Das Gefühl von Unzulänglichkeit bekommt auch noch durch etwas anderes Rückhalt: durch die schiere Bandbreite an Möglichkeiten.
Selbst wenn wir Hochglanzmagazine meiden, wird unser Anspruch an uns selbst von allen Seiten befeuert: Kostenloses Sprachenlernen auf Duolingo, vegane Rezepte auf Chefkoch.de, freie Ebooks vieler Klassiker im Projekt Gutenberg, Fit in 30 Tagen – Apps, geführte Meditationen auf Youtube – wir sind ja nun wirklich selber schuld, wenn wir nicht schlank, fit, gebildet und entspannt sind!
Dass sich dabei ein Druck, ja, eine regelrechte Verzweiflung aufbaut, fällt auf den ersten Blick gar nicht auf. „Ich habe die Möglichkeit“ verwandelt sich bei hohen Ansprüchen ganz schnell in „ich sollte“ und dann in „ich muss“. Dass das der Grundidee all dieser Möglichkeiten zuwiderläuft – nämlich sein Leben zu verbessern – gerät dabei in Vergessenheit.
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Zugleich ist es nicht grundsätzlich verkehrt, diese Dinge zu wollen. Regelmäßig Sport zu treiben ist gesund. Neue Sprachen zu sprechen, kann einem helfen, Freundschaften auf der ganzen Welt zu pflegen. Achtsamkeitsübungen lassen uns das Leben stärker wahrnehmen und wertschätzen usw.
Sich dem allen zu verweigern, nur um nicht dem „Selbstoptimierungswahn“ zu verfallen, lässt einen auf der Flucht vor dem einen Käfig in den anderen stolpern. Zu schnell schlägt die Defensiv-Falle zu.
Die Defensiv-Falle
„Ich gebe nicht gerne Geld aus, ich bin ja kein Bonze!“
„Sex ist nichts für mich, ich bin doch kein Flittchen!“
„Auf meine Gefühle hören? Denkst du, ich bin ein Emo oder was?“
Was haben diese Sätze gemeinsam? Ein Thema, das viele Dimensionen hat, wird mit einer Charakterisierung verknüpft, die vom Sprecher negativ bewertet wird. Diese Verknüpfung ist es, die ihn dazu bringt, das Thema selbst abzulehnen. Was sich wie eine sinnvolle Schlussfolgerung anhört, hat jedoch weitreichend und oftmals schädliche Konsequenzen.
Beispiel „Bonze“: ein Schimpfwort für jene, die mit ihrem Reichtum protzen und andere abfällig behandeln, die weniger Geld haben als sie. Ja, das hat mit dem Thema „Geld“ zu tun. Aber es ist nicht die einzige Weise, auf die man mit Geld umgehen kann. Stell dir jemanden vor, der z.B. viel Geld besitzt, weil er ein hervorragendes Buch geschrieben hat, das einfach viele Menschen begeistert hat, sich davon aber nur Dinge kauft, die ihm selbst und anderen wirklich gut tun, und den Rest spendet. Ist das ein Bonze? Wohl eher nicht.
Wer sich aus Angst davor, als Bonze zu gelten, generell von Geld fernhält, blockiert sich damit zugleich alle Möglichkeiten, die die anderen Facetten dieses Themas mitbringen, wie Sicherheit, Freiheit oder Engagement.
Ich nenne das die Defensiv-Falle: Wir sind so darauf konzentriert, uns gegen einen (oft nur scheinbaren) Vorwurf zu verteidigen, dass wir die Möglichkeiten, die uns das Thema bietet, übersehen.
Es ist also nicht grundsätzlich so, dass wir uns von einem Thema ganz fernhalten müssen, um uns nicht darin zu verlieren. Im Gegenteil: nur wenn wir uns mit dem Thema befassen, können wir seine Vorzüge genießen.
Wie aber vermeiden wir, auf der anderen Seite dem Selbstoptimierungswahn zu verfallen? Wie erkennen wir die richtige Dosis an Verbesserungen, die uns wirklich glücklicher macht?
Stress als Indikator für die richtige Dosis Selbstoptimierung
Wenn wir darunter leiden, was wir noch alles tun müssen, bis wir endlich glücklich sein können, haben wir die Grundidee verfehlt. Ebenso wenn wir daran verzweifeln, nicht alles in einem Tag unterbringen zu können.
Wenn der Wunsch, etwas zu verändern, ins Leid umkippt, nicht gut genug zu sein, ist es an der Zeit, einen Schritt zurück zu treten und die Aufgabe zu hinterfragen.
Was nützt es mir, den Marathon gelaufen zu sein, wenn ich in der Zwischenzeit keine Freude mehr an meiner Leistung habe? Was habe ich davon, meine Wohnung leergeputzt zu haben, wenn ich mich darin nicht mehr zuhause fühle?
Das heißt wohlgemerkt nicht, dass bei der Entwicklung keinerlei Unwohlsein entstehen darf. Womöglich entdeckst du, dass du deshalb abnehmen wolltest, weil du dich immer noch von den abfälligen Blicken deines Exfreunds einschüchtern lässt. Vielleicht merkst du, dass du die Beförderung vor allem deshalb haben willst, um es den Leuten zu zeigen, die immer gesagt haben, du würdest es eh zu nichts bringen. Es kann weh tun, wenn einem die eigenen Abhängigkeiten auffallen. Dann alles hinzuschmeißen und sich selbstmitleidig einzukugeln ist aber nicht hilfreich.
Vielleicht ist es nur an der Zeit, deine Ziele zu überdenken – oder einen besseren Grund dafür zu finden. Du nimmst ab, weil es sich gut anfühlt, wenn dein Körper so schön beweglich ist. Der neue Posten ermöglicht dir, Geld in dein Herzensprojekt zu stecken. Dass du es den anderen so richtig zeigst, ist dann nur noch ein netter Bonus, aber keine primäre Motivation mehr.
Fazit
Hohe Ansprüche entstehen durch Vorstellungen in unserem Inneren. Deswegen ist der erste Schritt, die eigenen Druck-Verursacher zu entlarven. Die Angst vor der eigenen Unzulänglichkeit, blockierende Glaubenssätze und verdrängte Gründe lassen sich aufspüren und durch weniger stressige ersetzen.
Wir haben nun ausführlich die eine Seite hoher Ansprüche angeschaut: dass wir uns mit „Verbesserungen“ belasten. Doch was ist mit Dingen, die uns wirklich Freude machen? Die uns gut täten, wenn wir sie nur regelmäßig in unserem Alltag unterbringen könnten? Wie schaffen wir es, uns gleichzeitig um unseren Körper zu kümmern, Ordnung zu halten, uns weiterzubilden, unsere Beziehungen zu pflegen und dabei entspannt zu bleiben? Das zeige ich dir im nächsten Artikel!
Vielen Dank für die Erwähnung : )
Beste Grüße
Gregor