Über den Umgang mit der Angst
Es war einmal ein Kaninchen. Das lebte am Waldrand bei einer saftigen Wiese in der Nähe einer kleinen Stadt. Auf der Wiese wuchsen die leckersten und gesündesten Kräuter, jedes Kaninchen wollte sie gerne verspeisen. Doch natürlich war es auch gefährlich. Es gab Füchse und Greifvögel in der Gegend, und neben der Wiese führte ein Weg entlang, auf dem immer wieder Menschen vorbeikamen. Manche von ihnen hatten sogar Hunde dabei.
Jedes Mal, wenn ein Kaninchen eine Gefahr bemerkte, duckten sich alle tief ins Gras: Mit großen Augen, die Ohren angelegt, die Muskeln fast bis zum Zerreißen gespannt. So hatten es ihre Eltern es ihnen beigebracht, und so hatten die meisten von ihnen bis zum heutigen Tage überlebt. Und das war es schließlich, worum es ging.
Eines Tages jedoch, als gerade wieder ein Mensch an der Wiese vorbeigekommen war, stürzte sich unser Kaninchen nicht wie die anderen schnell wieder auf die Kräuter, um möglichst viel zu fressen, bevor die nächste Gefahr nahte. Stattdessen sah es dem Menschen hinterher.
Der schlenderte ganz entspannt den Weg entlang. Er schaute zwar nach rechts und links, aber nicht wie ein Jäger, der seine Beute sucht, sondern irgendwie anders.
Das Kaninchen verdrängte den Neid, den es empfand, weil der Mensch so entspannt unterwegs sein konnte, und hielt an dem Gedanken fest, den es gehabt hatte: Dieser Mensch sah nicht aus wie ein Jäger. Und ein kühner Gedanke schloß sich an: Musste man vor dem überhaupt Angst haben?
Die Zeit verging und das Kaninchen hatte mehr und mehr der Menschen und Tiere, die an der Wiese vorbeikamen, beobachtet. Es hatte gelernt, dass es große und kleine Menschen gab, schnelle und langsame, laute und leise. Und dass die meisten von ihnen sich gar nicht für die Kaninchen auf der Wiese interessierten.
Selbst wenn sie spitze Stöcke mit sich herumtrugen – damit stachen sie vor allem nach dem Weg. Auch wenn sie kleine Wägen vor sich her schoben, aus denen schreckliches Geschrei drang – dann scherten sie sich noch viel weniger um die Wiese, sondern sprangen um den Wagen herum und redeten auf ihn ein. Selbst die Hunde, vor denen sich die Kaninchen so sehr fürchteten, waren häufig viel zu dick oder zu alt, um auch nur auf die Idee zu kommen, ihnen hinterher zu jagen. Manche von ihnen bellten oder ließen ein furchterregendes Knurren hören. Doch wirklich zu ihnen hin liefen die wenigsten, und meistens genügte es, wenn man ein Stück weit weg hoppelte, bis der Hund von seinem Menschen zurückgerufen wurde.
Das Kaninchen lernte immer mehr darüber, welche der Wesen, die an der Wiese vorbeikamen, wirklich eine Gefahr darstellten. Inzwischen war sein Blick so geschärft, dass es ein tatsächliches Raubtier sogar viel schneller erkannte. So wurden viel weniger Kaninchen erwischt. Sie wurden älter und blieben dennoch länger gesund, weil ihre Herzen nicht bei jedem Geräusch zu klopfen anfingen und dadurch immer erschöpfter wurden. Sie genossen die Kräuter und nutzten die Zeit, die sie nun zusätzlich hatten, um für echte Notfälle zu trainieren.
Inzwischen lehrten sie ihre Kinder nicht mehr, vor allem Angst zu haben. Sondern wirkliche Gefahren von eingebildeten zu unterscheiden. Denn Angst kann einem zwar das Leben retten – doch sie kann es einem auch gehörig vermiesen, wenn man ihr keine Grenzen zu setzen weiß.
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