Deine nette Art wird ständig ausgenutzt? Du bemühst dich zwar redlich, aber für redliche Bemühungen ist scheinbar in dieser Welt kein Platz? “Für sich einstehen heißt: Ellenbogen ausfahren und durchheizen, ohne Rücksicht auf Verluste.” Seufzt du schon resigniert, weil es scheinbar keine andere Möglichkeit gibt?
Dann hab ich eine gute Nachricht für dich: Es geht auch anders!
In diesem Artikel zeige ich dir, wie du für deine Bedürfnisse einstehen kannst, ohne damit aufhören zu müssen, freundlich und verständnisvoll zu sein.
Grenzen zu setzen ist wichtig
Was funktioniert, wird wiederholt. Das ist zunächst mal eine durchaus sinnvolle Vorgehensweise, die du auch – bewusst oder unbewusst – ständig anwendest. Genauso wie dein Gegenüber. Der andere fordert, und du gibst es ihm, weil du den Konflikt fürchtest. Warum sollte er es beim nächsten mal freundlicher versuchen? Klar wäre es wünschenswert, wenn alle einfach nett zueinander wären. Aber es gibt eben auch ein “zu nett”. Du fragst dich, ob das auf dich zutrifft? Hier ein schöner Artikel mit 10 Anzeichen, dass du zu nett bist.
Dabei sind viele Menschen gar nicht mal aus bösem Willen grob zu dir, sondern einfach aus Gedankenlosigkeit. Jetzt könntest du dich empört in deinem Opfertum einigeln und darüber klagen, wie wenig du gesehen wirst. Oder du lernst, wie du für dich einstehen kannst und zeigst ihnen, wo die Grenzen sind.
Und zwar nicht, indem du etwas tust, was dir eigentlich widerstrebt, wie zuzuschlagen oder gehässig zu werden. Denn auch wenn du manchmal den Wunsch dazu verspürst, will ein Teil von dir das nicht. Und das ist gut so, denn damit schadest du dir nur selbst.
Für sich einstehen heißt auch Grenzen setzen. Aber wie kannst du sonst für dich einstehen, wenn nicht dadurch, eine Mauer mit möglichst viel Stacheldraht um dich aufzubauen?
Der “Trick” besteht darin, dass es für die meisten Menschen in deinem Umfeld gar nicht notwendig ist, grob zu werden.
Arten von Grenzen
Du kannst es dir vorstellen wie eine Landesgrenze: Die meisten Menschen fahren auf der Hauptstraße. Und wenn ein Grenzhaus dasteht, halten sie an und lassen sich überprüfen. Das geht aber natürlich nur, wenn du eine Grenze gezogen und ein Häuschen dazu errichtet hast. Das ist es, was “für dich einstehen” bedeutet.
Es gibt auch die, die deine Grenzen nicht respektieren. Um beim Bild zu bleiben: Die versuchen, das Grenzhäuschen zu umgehen oder durchzubrechen. Aber das sind viel weniger, als deine Angst dir weismachen will. (Mein Tipp, wenn du glaubst, schrecklich viele Menschen wären Verbrecher: Lies weniger Zeitung). Dazu später mehr.
Auf der anderen Seite gibt es auch offene Grenzen. Du musst jemanden, zu dem du eine offene Grenze hast, nicht mehr überprüfen. Du kannst darauf vertrauen, dass es nicht notwendig ist. Das gilt z.B. für gute Freunde. Wichtig ist dabei, dass du eine Grenze öffnest, weil es sich richtig anfühlt. Eine offene Grenze, die sich für dich nach Gefahr anfühlt, deutet auf eine schlechte Freundschaft hin. Vielleicht solltest du da wieder Grenzkontrollen einführen.
Freundlich Grenzen setzen
Wie kannst du nun aber freundlich Grenzen setzen für die Menschen, die sie achten würden, wenn sie sie nur sehen könnten? Dazu sind zwei Schritte notwendig:
- Werde dir klar darüber, worum es dir eigentlich geht.
- Kommuniziere es klar und deutlich.
Wenn du ausrastest, weil der andere das Fenster geöffnet hat, wird er dich zurecht schief anschauen. Mehr Verständnis bekommst du, wenn du erklärst, dass du schon seit Tagen kränkelst, es dir wichtig ist, morgen beim Geburtstag deines Kindes fit zu sein, und du leider vergessen hast, deine warme Jacke einzupacken.
Es wird viel einfacher, das zu bekommen, was du willst, wenn du direkt darum bitten kannst. Und leichter bitten kannst du, wenn du deine Gründe kennst. Finde besonders bei wiederkehrenden Konflikten heraus, worum es dir eigentlich geht. Wie so oft ist auch hier das Thema Bedürfnisse* ein hervorragendes Schlagwort. “Für dich einstehen” heißt “deine Bedürfnisse kennen und deutlich machen”.
Eine gut formulierte Bitte hat übrigens nichts damit zu tun, sich selbst abzuwerten. Im Gegenteil, es ist ein Zeichen von Augenhöhe, denn du respektierst dein Gegenüber genug, um mit ihm einen wertschätzenden Umgang haben zu wollen. Wobei die Bitte eher die Kür ist, meist genügt eine klare, freundliche Ansage.
Die wenigsten Menschen brauchen harsche Forderungen, meist reicht Klarheit vollkommen aus.
Der Ton macht die Musik – auch beim Neinsagen
Es IST ein Unterschied, ob ich sage: “Verdammt nochmal, gib mir jetzt endlich das Scheiß-Salz, du Schwachmat!” oder “Würdest du mir bitte das Salz reichen?” Selbst ohne Beleidigungen und Schnörkel klingt es noch unterschiedlich, ob ich “Gib mir das Salz!” sage oder “Gibst du mir bitte das Salz?” Obwohl hinter aller Ausdrucksweise der gleiche Wunsch, die gleiche Aussage steht.
Das lässt sich 1:1 aufs Neinsagen übertragen. Schau dir diese Varianten von “ich übernehme die Aufgabe nicht” an:
- Opfer-Variante: “Ohje, das tut mir so leid! Aber ich habe so viel Arbeit. Ich fürchte, wenn ich das auch noch annehme, werde ich nicht rechtzeitig fertig mit meinen anderen Aufgaben…” (übrigens sehr manipulationsanfällig z.B. durch ein “ach was, ich vertraue darauf, dass du das hinkriegst!”)
- Arschloch-Variante: “Ist nicht mein Problem.”
- Variante “freundlich, aber bestimmt 1”: “Das scheint dir sehr wichtig zu sein, allerdings bist du bei mir da an der falschen Adresse, das fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich. Prüf doch bitte auf der Aufgabenliste nach, wer sich damit befasst.” (Wenn du nicht zuständig bist.)
- Variante “freundlich, aber bestimmt” 2: “Ich sehe, dass dir das Thema wichtig ist. Aktuell passt es mir nicht rein, ich kann dir aber anbieten, mich Ende nächster Woche damit zu befassen.” (Wenn du zuständig wärst, aber gerade andere Prioritäten hast.)
Siehst du den Unterschied? Du sagst eigentlich immer “Nein”, aber der Geschmack ist ein völlig anderer.
Die gleiche Aussage kann sehr unterschiedlich aussehen. Lass dir nicht erzählen, dass es doch nur auf den Kern der Sache ankommt. Das ist in den meisten Fällen nur eine Ausrede dafür, dass jemand dir nicht freundlich begegnen will. (Welche Gründe das hat, ist übrigens eine andere Frage, aber dazu ein anderes Mal mehr.)
Wisse, mit wem du es zu tun hast
Dabei spielt die Selbstkenntnis eine große Rolle: Welche Position habe ich, wofür bin ich zuständig? Welche Kapazitäten habe ich noch? Was möchte ich für Aufgaben übernehmen, welche Gründe habe ich dafür?
Auch den anderen zu kennen kann sehr hilfreich sein. Ist es wirklich ein Notfall, was der andere mir da bringt? Oder sagt er nur “Notfall” und meint eigentlich: “Ich bin damit überfordert, aber letztlich hat es keine allzu großen Konsequenzen”? Wirst du als Stressmittel benutzt, weil der andere seine Aufgaben nicht im Griff hat? Wie eng bist du wirklich mit ihm verbunden, wäre vielleicht eine klare Ansage angebracht? Z.B. so: “Dieses eine Mal helfe ich dir. Und wenn du möchtest, kannst du zu mir kommen und wir reden über deine Aufgabenliste. Aber komm nicht mehr zu mir mit ‚Lös das mal schnell für mich‘, dazu bin ich nicht da.”
Das hat nichts damit zu tun, dass man andere im Stich lässt. Im Gegenteil.
Wenn du dich damit befasst, was dir wichtig ist, kannst du viel besser für andere da sein. Du kannst klare Ansagen machen, man kann sich auf dich verlassen. Du bist souverän und damit kann sich auch der andere entspannen. Und du bleibst locker, hast Spaß an der Sache und fühlst dich wohl. Das wirkt sich auch auf dein Gegenüber aus, denn er muss sich nicht mit dem Arschloch rumärgern, dass du eigentlich nie werden wolltest.
Du wünschst dir Unterstützung dabei, klar zu bekommen, was dir eigentlich wie wichtig ist? Ich helfe dir gerne dabei! In meinem Onlinekurs „Prioritäten-Power“ lernst du alles, was du brauchst, um Wesentliches vom Unwesentlichen zu unterscheiden, deine Themen sinnvoll einzuordnen und deine Prioritäten wirkungsvoll in deinem Alltag zu verankern.
“Für sich einstehen” ist auch ein Für-andere-da-sein, weil man dann zu viel mehr in der Lage ist.
Wie kann ich für mich einstehen, wenn jemand stärker ist als ich?
Es kann natürlich auch passieren, dass man sich schlicht nicht traut, dem anderen zu sagen, was man braucht. Aber es lohnt sich selten, dann lieber gar nichts zu machen. Denn meistens liegt es bloß daran, dass man versucht, sich an der falschen Stelle durchzusetzen.
Lass dich nicht davon täuschen, dass jemand dir in einem bestimmten Gebiet überlegen ist. Ob jemand dich mit seiner Redegewandtheit, seiner Geradlinigkeit oder seiner Körperkraft einschüchtert, sagt nichts darüber aus, was du ihm entgegensetzen kannst!
Ist es denn wirklich sein starkes Gebiet, um das es gerade geht? Viele Menschen ziehen ein Gespräch in die Richtung, die ihnen am meisten liegt. Wenn jemand dein Äußeres angreift, obwohl es gerade noch um deine Leistung ging, gehen ihm wahrscheinlich die sachlichen Argumente aus. Sicher, das tut trotzdem erstmal weh, aber das ist Übungssache. Lass dich nicht auf solche Spielchen ein! Dann merkst du bald, wie wenig eigentlich wirklich gegen dich eingesetzt werden kann.
Wenn es hart auf hart kommt: Kläre deinen Rückhalt.
Dass du für dich einstehen willst heißt nicht, dass du das alleine tun musst. Wer ist auf deiner Seite? Freunde sind wichtiger als Feinde. Zwar nehmen wir Negatives stärker wahr, aber die tatsächliche Wirkung auf unser Leben können wir selbst wählen.
Ehepartner, Geschwister, Eltern, Freunde, auch Internetbekanntschaften – wenn alle Stricke reißen, kannst du über eine gute Community zumindest das Schlimmste abfangen. Es gibt gute und freundliche Menschen auf der Welt! Wenn es keine direkt in deiner Umgebung gibt, such im Internet. Achtung: Das kann ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht nicht ersetzen. Es kann einem aber helfen, den Mut aufzubringen, sich in die richtige Richtung weiterzuentwickeln.
Fazit
Auf den Tisch hauen, Gleichgültigkeit oder Abfälligkeit sind EINE Option, aber sie müssen nicht DEINE Option sein, wenn du das nicht willst. Du kannst freundlich Grenzen setzen. Klarheit und Rückhalt sind dabei deine wertvollsten Verbündeten.
Pingback: Warum Akzeptanz und Weiterentwicklung kein Widerspruch ist
Pingback: Warum Akzeptanz und Weiterentwicklung kein Widerspruch ist – Iris Brandt
Hallo liebe Iris,
ja, häufig ist es Gedankenlosigkeit, Unachtsamkeit oder auch Nichtwissen. So schnell entstehen dann Kränkungen, ohne darüber je ein Wort zu verlieren. Lösen kann sich so ein Missverständnis häufig nur, indem man darüber spricht und es klärt (dabei darf man natürlich ebneso freundlich seine Grenzen zeigen).
Herzliche Grüße, Ulrike Fuchs
PS.: Vielen Dank auch für die Erwähnung. :-)