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Die vielseitige Frau und das schlechte Gewissen

  • Mindset

Frauen haben heutzutage mehr Möglichkeiten als je zuvor. Damit einher geht jedoch eine große Herausforderung: Alles gut auszubalancieren.

Es fühlt sich gut an, für die Familie da zu sein. Es fühlt sich aber auch gut an, nach außen hin bekannt zu sein, in einer größeren Reichweite Einfluss zu haben, finanziell erfolgreich zu sein. Nicht zu vergessen das Thema Selbstverwirklichung. Es genügt eben nicht, nur zu funktionieren, es gehört auch Sinn dazu.

Befreie deine Zeit mit der Zeitfresser-Checkliste!

Keine Zeit für all deine Pläne? Die Zeitfresser-Checkliste hilft dir, fiese Fokus-Fallen ausfindig zu machen, und so mehr Zeit für das zu gewinnen, was dir wirklich wichtig ist.

Diesen Artikel habe ich als Gastartikel für “Mutter-Business-Plan” geschrieben. Allerdings scheint die Seite nicht mehr online zu sein. Deshalb hier der komplette Artikel:

Eine Möglichkeit ist, sich auf die Genügsamkeit zu berufen. “Sei doch dankbar für das, was du hast, andere haben viel weniger!”, tönt einem aus verschiedenen Richtungen entgegen. Wenn nicht von der Schwiegermutter, so doch zumindest von Seiten des schlechten Gewissens. “Darf ich noch mehr wollen?” ist eine knifflige Frage, denn egal, wie wir sie beantworten, man kann uns einen Strick daraus drehen. Aber ich verrate dir etwas: Das spielt überhaupt keine Rolle. Lass andere an Stricken drehen, du gehst derweil los und lernst fliegen. Wie du das anfängst, zeige ich dir in diesem Artikel.

Drei große Irrtümer

Das Wichtigste ist, zu erkennen, dass du mit großer Wahrscheinlichkeit einem oder mehreren der folgenden drei großen Irrtümer unterliegst. Sobald du das aufgedeckt hast, wird alles viel einfacher.

Der größte Irrtum, dem viele unterliegen, ist der der Ausschließlichkeit, oder anders gesagt:

Das Entweder-Oder

Entweder du bist eine gute Mutter oder eine erfolgreiche Geschäftsfrau. 

Entweder du bist für deinen Mann da oder für dich selbst. 

Entweder du schreibst an deinem Roman oder du kriegst den Haushalt auf die Reihe. 

Was dieser Ansatz übersieht, ist, wie komplex diese Themen sind. Komplexität ist etwas, das uns Angst machen kann. Es verunsichert, nicht alles einschätzen zu können. Doch es bietet auch große Chancen.

Beispiel: “Ich will eine gute Mutter sein” sagt sich leicht, aber auszudefinieren, was “eine gute Mutter” eigentlich ist, ist deutlich aufwändiger. “Für die Kinder da sein” gehört dazu, aber nicht vielleicht auch so etwas wie “den Kindern helfen, auch als Erwachsene glücklich zu sein”? Wenn du ihnen vorlebst, wie man ein erfolgreiches Business aufzieht, kommt ihnen das etwa nicht zugute?

Jedes Thema besteht aus verschiedenen Aspekten. Sicher lohnt es sich, die einzelnen Aspekte unter die Lupe zu nehmen, um z.B. nicht den Geburtstag des Kindes zu verpassen, bloß weil man ein “wichtiges Meeting” hat. Doch das hat nichts damit zu tun, die Möglichkeit an sich abzulehnen. Anders ausgedrückt: Es ist nicht dein Geschäftsfrau-Sein, das deine Mutter-Rolle einschränkt, sondern die Frage, auf welche Art zu Geschäftsfrau bist.

Dasselbe gilt für alle anderen Themen. Wenn du mit dir selbst im Reinen bist, kannst du dich auf die Probleme deines Mannes einlassen, ohne Angriffe zu sehen, wo keine sind. Wenn du einige gute Routinen einführst, kannst du den Haushalt schmeißen und deine kreativen Projekte vorantreiben. Und nicht nur das: Du wirst noch viel besser vorankommen, weil du nicht die ganze Zeit etwas anderes im Hinterkopf hast.

Eine konkrete Lösung zu finden, zwei Themen unter einen Hut zu bringen, die sich zumindest in manchen Punkten widersprechen, ist keine leichte Aufgabe, das will ich nicht bestreiten, doch es lohnt sich, kreativ zu werden und Lösungen zu entwickeln. Gehen tut es allemal!

Der zweite große Irrtum besteht darin,

Zu glauben, es wäre besser für irgendjemanden, wenn du zurücksteckst

Auf den ersten Blick erscheint es sinnvoll: Du kannst froh sein, was du hast, und willst dein Glück nicht überstrapazieren. Du bist ja nicht undankbar oder gar egoistisch. Wenn du zurücksteckst, machst du dich beliebter und sicherst dir damit bessere Chancen für die Zukunft. Deine Familie wird dir dankbar sein, dein Chef wird dich anerkennen für deine Großzügigkeit und Opferbereitschaft. Das Dumme ist: 

1. Oft passiert das einfach nicht. Wenn du alles mit einem Lächeln erledigst, ist es nur natürlich, dass dein Gegenüber annimmt, dass es dir damit gut geht. Dass du gerade ein Opfer bringst, ist ihm überhaupt nicht bewusst. Da kann jetzt deine Bescheidenheit einschreiten und sagen: Darum geht es ja nicht, es genügt, dass ich weiß, was ich leiste. Schön und gut, aber ist das auch wahr? Meistens greift nämlich 

2. Es ist eben oft doch nicht einfach nur Liebe, die dich motiviert. Diese Vorstellung kratzt erstmal am Ego, aber es lohnt sich, diesen Schmerz auszuhalten und ehrlich hinzuschauen.
Wie machst du das? Prüfe nach: Fühlt es sich für dich wie ein Opfer an? Dann steckt etwas anderes dahinter. Der Wunsch, gemocht zu werden, die Angst, sich unbeliebt zu machen, oder ein Glaubenssatz, der deinen Wert daran bemisst, wie uneigennützig du bist.
Wenn du aus Liebe eine Aufgabe annimmst, fällt sie dir nicht schwer. Du genießt es, sie auszuführen.

Versteh mich nicht falsch: Weder muss dir alles Spaß machen, was du tust, noch ist es grundsätzlich verwerflich, gemocht werden zu wollen. Das Problem entsteht dann, wenn du dir einredest, du würdest aus Liebe handeln, wenn du eigentlich darunter leidest. Denn, und damit kommen wir zum Anfang dieses Abschnitts zurück, du baust damit eine Diskrepanz in dir auf, die spürbar wird. Vielleicht nicht sofort. Doch mit der Zeit garantiert.

Und wenn du nicht weißt, dass diese Unruhe und Unzufriedenheit von deiner falsch verstandenen Opferbereitschaft herrührt, findet dein Gehirn andere Erklärungen: Dein Mann wertschätzt dich nicht, deine Kinder sind undankbar, die Welt ist unfair. Das wiederum führt zu Frust und kann ein Grund für Streit sein.

Und selbst wenn du weißt, dass es nicht an deiner Familie liegt, die dich zurückhält, kann es sein, dass du das ausstrahlst und deine Kinder es auf sich beziehen. Kinder können die komplexen Zusammenhänge in deinem Inneren noch nicht deuten, sie wissen nur: “Etwas stimmt nicht mit Mama. Das kann nur bedeuten: Ich habe etwas falsch gemacht!” Ohne zu wissen, was es ist, und was sie dagegen tun können. War es das, was du im Sinn hattest, als du deine Wünsche hintan gestellt hast? 

Der dritte große Irrtum schließlich besteht darin,

Alle Aufgaben, die du angenommen hast, genau so zu Ende bringen zu müssen

“Wenn ich nicht jetzt anfange, jeden Tag eine halbe Stunde Klavier zu üben, werde ich nie mehr richtig gut.”

“Wenn ich das Angebot in der Firma nicht annehme, kriege ich keinen Job mehr, das ist meine letzte Chance!”

“Wir müssen meine Schwiegereltern bei uns daheim pflegen, alles andere wäre unmenschlich.”

Es gibt viele gute Gründe, Aufgaben anzunehmen. Was dabei gerne übersehen wird ist, dass es genauso viele gute Gründe gibt, es nicht zu tun.

Sei ehrlich mit dir:
Worum geht es wirklich?
Fühlt es sich wirklich richtig an, “Ja” zu sagen? Oder hast du in erster Linie Angst vor den Konsequenzen, wenn du ablehnst?
Wird es dich mehr entlasten, den Konflikt umgangen zu haben – oder ihn durchgestanden und einen anderen Weg gefunden zu haben?

Jede Antwort ist legitim, es wird jedoch häufig der Weg des – zunächst – geringsten Widerstandes gewählt, obwohl es eine langfristig bessere Lösung gegeben hätte.

Nimm dir die Zeit, stelle dich dem kurzfristig größeren Stress, dich mit den Alternativen zu befassen, und du kannst dir viel Ärger ersparen. Denk daran: Auch ein striktes “Nein” ist eine Alternative. Alleine dir dafür die Erlaubnis zu geben, es bei Bedarf anzuwenden, wird deine Position stärken.

Anwendung im Alltag

Soviel zur Theorie, jetzt bekommst du noch ein paar ganz konkrete Tipps, wie du deinen Alltag gelassen angehen und auch bei Stress schnell wieder entspannen kannst:

Sei präsent

Wenn du bei deinen Liebsten bist, häng nicht gleichzeitig über deinem Smartphone. Die Qualität deiner Familienzeit wird sich erhöhen und das Bedürfnis deiner Familie, dich dauernd um sich zu haben, sinken.

Keine Angst, das geht nicht mit Gleichgültigkeit einher, du wirst dadurch nicht überflüssig, im Gegenteil: Je schöner eine kürzere, aber wirklich gelebte Zeit mit dir ist, desto mehr Dankbarkeit entwickelt sich dafür. 

Geben und Nehmen

Geht aufeinander ein. Wenn du mit deinem Partner empathisch umgehst, merkt er das auch. Dadurch wächst sein Wunsch, auch auf deine Bedürfnisse einzugehen.

Wenn du dann deine Wünsche klar äußerst, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sie dir auch erfüllt werden. Denn der andere ist froh, wenn er weiß, wie er mit dir gut leben kann. Du bist weder egoistisch noch beziehungsfeindlich, wenn du deine Wünsche deutlich machst, denn es dient einem guten Miteinander. 

Empfehlenswert dazu: Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg. Für meinen Mann und mich das Nr.1 Beziehungswerkzeug!

Mach Pausen

Ich mag den Spruch “Meditiere täglich fünf Minuten. Und wenn du keine Zeit hast: Eine Stunde.”
Pausen schwächen nicht deine Effizienz, im Gegenteil, sie machen dich aufnahmefähiger, gelassener und umgänglicher. Vielleicht musst du erst ein paar neue Regeln in deinem Haushalt durchsetzen, damit du auch ab und zu Zeit für dich bekommst, aber auch dieser Aufwand lohnt sich.

Damit du auch daran denkst, Pausen zu machen, installiere dir Erinnerungshilfen: Einen Anhänger am Schlüsselbund, ein Zettel über der Spüle oder eine extra Aufgabe in der To Do Liste (klingt paradox, aber bei manchen funktioniert das, weil sie so gewöhnt sind, alles zu erledigen, was auf ihrer Liste steht).

Mach die Tür zu, öffne das Fenster und atme tief durch, schließe die Augen und mach einfach mal NICHTS. Du wirst wahrscheinlich dann erst merken, dass du es schon längst gebraucht hast. 

Halte inne

Wenn du merkst, dass etwas, das eigentlich schön sein sollte, stressig geworden ist, du dich geradewegs auf einen Streit zubewegst oder in die Lustlosigkeit abdriftest, halte – innerlich oder auch äußerlich – komplett an. Atme einmal tief ein und aus und frage dich, worum es eigentlich geht und was jetzt sinnvoll ist.

Beispiel: Du bist angespannt, weil du eigentlich noch eine Mail schreiben wolltest, aber ihr jetzt erstmal auf den Spielplatz geht? Triff eine Entscheidung und dann lass los. Entweder ihr dreht um – ist es wirklich so wichtig? – oder du machst das später und genießt jetzt die Zeit.
Du kannst ja eine Uhrzeit festlegen, an der du wieder zurück sein möchtest, und entsprechend rechtzeitig wieder losgehen (rechne dabei nicht mit einem Wunschideal, sondern der Realität: Wie lange brauchen deine Kinder zwischen “Wir gehen jetzt” und “Wir gehen jetzt wirklich”?).
Wenn du Sorge hast, einen wichtigen Gedanken zu vergessen, notiere ihn dir (gewöhne dir an, einen Notizblock in der Tasche zu haben). 

Füttere deine Fantasie

Je häufiger du Probleme anders als mit dem erstbesten Einfall löst, desto größer wird dein Repertoire an Lösungsideen. Und je größer dein Ideenschatz ist, desto leichter findest du auch in einer unerwarteten Situation schnell eine Antwort.

Übe dich darin, Altbewährtes zu hinterfragen (nicht aus Prinzip, es kann immer noch nützlich sein, doch womöglich gibt es auch inzwischen bessere Möglichkeiten), lass dich von anderen inspirieren und probiere Alternativen aus.

Schau dir Life-Hacks an, lies originelle Bücher, sprich mit Menschen, die ihren eigenen Weg gehen. Fordere dich auch ab und zu heraus, indem du in einem geschützten Rahmen über deine Grenzen gehst. Oft merkst du dann erst, was alles in dir steckt, auf das du auch im Alltag zurückgreifen kannst. (Mein Favorit dafür: Live-Rollenspiel aka Larp.)

Fazit

Als vielseitige Frau ist es anspruchsvoll, alle Bereiche sinnvoll auszubalancieren. Wenn du dich aber darauf achtest, wie deine Rollen sich wirklich gegenseitig beeinflussen, nur da zurücksteckst, wo es auch wirklich hilft, und unnötige Aufgaben los lässt, wird es schon wesentlich einfacher. Wenn du dann noch ein paar Tipps beherzigst, die dir beim konkreten Umsetzen in den Alltag helfen, wird dein Leben wesentlich entspannter und schöner.


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