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Einige meiner Gedichte

Die Gefährtin | Nachtnarrenlied | Lichtblick | Das Lob | Morgensternerei | Hetäres Vasallen

Die Gefährtin

Ich habe eine Freundin, die mich nie verletzt,
die mich versteht, an meiner Seite bleibt.
Sie hat sich mir ganz einfach in den Kopf gesetzt,
von wo sie Angst und Bitterkeit vertreibt.

Sie springt um mich herum und zieht Grimassen,
und weckt in mir die Neugier auf die Welt.
Sie ist nicht zu zerstörn und nicht zu fassen,
auch weil sie selten ihre Form behält.

Ich habe eine Freundin, die mein Schweigen kennt
und zärtlich singend meine Hand berührt.
Die Äolsharfe ist ihr liebstes Instrument,
ihr Klang hat mich schon oft nach Haus geführt.

Sie schlüpft in meine Träume, um zu wachen,
dass jeder Wunsch auch rätselhaft erblüht.
Wie traurig ich auch bin, sie lässt mich lachen,
weil sie vor Energie und Freude sprüht.

Ich habe eine Freundin, die mir ganz gehört,
doch grade darum sperr ich sie nicht ein.
Wenn sie mir eine ganze Welt aus nichts beschwört,
dann weiß ich sicher: Ich bin nie allein.

Sie fliegt hinauf ins All und sammelt Sterne,
damit es stets in meinem Innern scheint.
Dank ihr bin ich gewachsen und ich lerne,
was Träumerei und Wirklichkeit vereint.

Ich habe eine Freundin, die verlässt mich nie,
ihr Name ist ganz einfach:
Fantasie.

aus: Lyrische Eskapaden Band 2

Nachtnarrenlied

Göttin Luna, meine Süße,
lasse nur dein blasses Licht
sorgsam falln vor meine Füße,
dass mir nicht der Weg entschwinde,
ehe ich den Tag begrüße,
meinen Weg nach Hause finde.
Leuchte nur, so irr ich nicht.

Red nur mit den Nachtgestalten,
fantasieren ist gesund.
Wenn du Zeit hast, anzuhalten,
und ein wenig nachzusinnen,
setze dich nur auf den kalten
Stein und lass das Lied beginnen,
das sich regt in deinem Mund.

Nacht! Nacht ist Narrenzeit!
Sei zu jedem Traum bereit!
Nacht! Nacht ist Narrenzeit!
Und das Lied beginnt.

See, was liegst du voller Schweigen?
Ist das Wehr dir gar zu laut?
Dir ist doch der Teil zueigen,
wo die Wellen ohne Zagen
ihren Kamm zur Tiefe neigen,
um den kalten Sprung zu wagen.
Oft schon hast du zugeschaut.

Manchmal muss man sie ermahnen,
präg dir diese Lehre ein:
Schreib dir “Narrheit” auf die Fahnen,
gib dem Nachtvolk frech Befehle!
Sie vertragen die Schikanen,
dir erleichtert es die Seele,
ab und zu der Herr zu sein.

Nacht! Nacht ist Narrenzeit!
Sei zu jedem Traum bereit!
Nacht! Nacht ist Narrenzeit!
Und das Lied beginnt.

Schattenbäume, schwarze Wächter,
hütet nur die Sterne gut!
Dunkelheit ist kein Verächter,
will sich alles einverleiben
und mit höhnischem Gelächter
ganz als letztes übrig bleiben.
Wiegt sie leise, dass sie ruht…

Nacht! Nacht ist Narrenzeit!
Und das Lied beginnt.

aus: Lyrische Eskapaden Band 1

Lichtblick

Silbrig sinkt die Sonne nieder,
seltsam anders als gekannt,
strahlend spreizt sie ihr Gefieder
und legt leicht ihr Licht aufs Land.

Sanft verschwimmen in der Weite
Himmel, Horizont und Schein.
Wie der Tag es prophezeite,
lädt die Luft zum Summen ein.

Goldner zwischen Wälderschatten
streckt ein Strahl sich, wie er will.
Und als wollt sie es gestatten,
blickt die Sonne weiß und still.
Himmelsauge, sieh die Zeiten

auf- und niedergehn wie du.
Ungehindert kannst du schreiten,
ungehindert seh ich zu.

aus: Lyrische Eskapaden Band 3

Das Lob

Zu seinem Freund ein Dichter sprach:
“Mein nächstes Werk wird Wellen schlagen!”
Der Freund, der sich den Kopf zerbrach,
konnt es vor Neugier kaum ertragen.

So schlich er sich beim Dichter ein
und fand am Schreibtisch etwas liegen,
das musste wohl das Neue sein,
nur schnell wollt er es überfliegen.

Doch als er sah, was sich ihm bot,
da konnte er nicht an sich halten,
die Wangen vor Erregung rot,
versank er in des Werks Gewalten.

Er jauchzte, weinte, seufzte, schrie,
dass ihn der Dichter draußen hörte,
und kam, zu sehn, welch Fantasie
den Freund hier drinnen so betörte.

Der fiel ihm lachend um den Hals.
“Mein liebster Freund, wie wahr gesprochen!
Nun, damit hast du jedenfalls
den Goetheschen Rekord gebrochen!”

Begeistert wies er auf das Blatt.
“Es zeigt sich, ach, auf einer Seite!
wie viel der Mensch zu lernen hat
und um wie viel er sich befreite!

Du zeigst, wie leer das Sinnen ist,
wie sehr wir unsern Geist versenken.
Man sieht, wie man man selber ist.
Es regt uns an zum größten Denken.

Du sparst auch nicht mit der Kritik,
hast die Gesellschaft scharf getroffen,
verloren in Gewalt und Krieg,
verlernt sie Stück für Stück zu hoffen.

Der Liebe Reinheit stellst du dar,
und doch verschlungen mit der Leere,
dass eins stets Teil des andern war,
verstrickt in ewiger Misere.

Grandios verurteilt jede Tat,
sich in das Göttliche zu mischen.
Die Ironie ist delikat,
der Witz wirft sich gekonnt dazwischen.

Nun damit, liebster Dichterfreund,
hast du die Wege neu geschlagen,
den Lyrikgarten neu umzäunt,
geschafft, was nur die Helden wagen!”

Des Dichters Augen blicken klar,
“Mein Freund, es ist dir wohl entgangen:
Nun, siehst du,” sagt er lapidar
“ich hab noch gar nicht angefangen.”

“Vielleicht erkennst du durch dein Wort,
der neuen Dichter Jagdreviere,
der Sinn macht sich verlegen fort,
es bleiben leere Schreibpapiere.”

“Interpretieren lässt sich viel,
gerade dort, wo gar nichts steht.
Sodass verleugnet und subtil,
das Dichterwort zugrunde geht.”

aus: Lyrische Eskapaden Band 2

Morgensternerei

Ein Wiesel sitzt im Bache still,
ich frage mich, was es da will.
Was sitzt es auf dem Kiesel dort
und rührt sich keinen Meter fort?

Da schwebt herab vom hellen Mond
ein Kalb, das wohl dort oben wohnt,
und raunt mir sacht ins Ohr hinein:
Das muss aufgrund des Reimes sein.

Man stell sich mein Erstaunen vor:
Da raunt ein Kalb mir was ins Ohr!
Legt mir ein Wieselschicksal dar,
so seltsam, wie wohl keins je war.

Verblüfft sprech ich das Wiesel an:
Nur für den Reim hast du’s getan?
Da seufzt das Wiesel sanft und spricht:
Was tät ich für den Reim denn nicht?

aus: Lyrische Eskapaden Band 1

Hetäres Vasallen

Du kennst noch nicht das gierige Verlangen,
das andere bisweilen überfällt.
Sie winden sich in unsichtbaren Zangen,
weil es in ihnen unentrinnbar gellt.
Und niemals bringen sie es sonst zum Schweigen,
als wenn sie eilig in die Tiefe steigen.

So folge mir in rotbelampte Gassen,
hinab, wohin du vormals nie gesehn,
wo ihresgleichen deinesgleichen hassen,
denn keiner kann den andern je verstehn,
und lerne, wo sie sterben leben nennen,

von deiner Welt die andre Seite kennen.
Tritt ein, an diesen Hof der Umgestürzten
und lass dich durch ihr Starren nicht berührn.
Ganz gleich, ob sie ein Leben schon verkürzten,
ich werde dich mit sichren Schritten führn.
So fürchte nichts, als dass dich meine Lehren
in Schrecken setzen, ohne zu bekehren.

Es ist zudem auch meist ihr eignes Leben,
von dem sie sich hier, schön gesagt, befrein.
Sie freuen sich, ihr Dasein hinzugeben,
um hochverzinst ein Körnchen Glück zu leihn.
Doch Wuch’rer Tod weiß Schulden einzutreiben,
so wird von ihnen nichts als Reue bleiben.

Doch höre! Es ertönen die Fanfaren!
Das Volk erhebt und wälzt sich zum Appell.
Die Meute zeigt ihr johlendes Gebaren
und drängt sich hin mit forderndem Gebell.
So rufen sie ihr priesterliches Wesen,
von dessen Leib sie ihre Wahrheit lesen.

Jetzt tritt aus seinen klug platzierten Schatten
ihr Zielobjekt, am bleichen Licht erkrankt,
und die dort jubelnd ihren Stolz bestatten,
verteilen Lob, das Taten nicht verlangt.
Ihr Hosianna grunzt die Rotte trunken
und schlägt aus kalten Steinen Himmelsfunken.

Und sieh nur, wie sie geifernd diesen hagern,
ja eingeschnürten Leib mit starrem Blick
und geistgelöstem Grinsen dort umlagern,
als trüge dieses Wesen ihr Geschick
in seinen weichen, heuchlerischen Händen,
die keinen Gruß an Edlere verschwenden.

Sie lesen von den prallgespritzten Lippen
die einfallslosen Wünsche hörig ab
und stürzen sich von unsichtbaren Klippen
ins rauchgefüllte Sinnesmeer hinab,
als läge in den dreckgeschwärzten Fluten,
wofür sie lange schon ergeben bluten.

Und wenn sie sich dann in der Schlacke suhlen,
dröhnt schauerlich ihr wohliger Gesang,
mit dem sie um die Gunst des Wesens buhlen,
das ihre Herzen würgerisch umschlang.
Es röhrt hervor aus schlammgetränkten Kehlen
das Sehnen, dem die rechten Träume fehlen.

Nun fasse dich! Es lässt sich doch nicht ändern.
Sie bleiben hier, sie wollen nicht zurück.
Sie fesseln sich mit farbenfrohen Bändern
und nennen „sich nicht rühren können“ „Glück“.
So sucht der Ochse sich sein Joch ganz selber
und schenkt es voller Stolz an seine Kälber.

aus: Lyrische Eskapaden Band 3